2 Logische Grundoperationen

2.1 Darstellung binärer Werte durch Potenziale
2.2 Das NOT-Gatter
2.3 NAND- und NOR-Gatter
2.4 Gatter als neue Grundbausteine
2.5 AND- und OR-Gatter
2.6 Die drei Grundaufgaben der Informationsverarbeitung

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2.1 Darstellung binärer Werte durch Potenziale


Während auf einer (derzeit [2012] noch) üblichen Festplatte die Bits in Form von orientierten Magnetfeldern vorliegen, werden sie für die Dauer ihrer Verarbeitung im Computer in Form von Potenzialwerten dargestellt. Nehmen wir vereinfachend an, dass die elektrischen Schaltungen einer Hauptplatine in einem Computer vom Netzteil mit einer Spannung von 5 Volt versorgt werden. Dann können wir einem Potenzialwert dicht bei 0 Volt den logischen Wert "0" (oder "False") zuordnen und einem Potenzialwert dicht bei 5 Volt den logischen Wert "1" (oder "True"). Man kann nun alle Werte zwischen 0 und 5 Volt mit Hilfe der folgenden einfachen Spannungsteiler-Schaltung herstellen:



Je nach Wahl der Werte für die zwei Widerstände R1 und R2 erhält man bei Ua jeden gewünschten Potenzialwert zwischen 0 und 5 Volt. Ist R1 sehr viel größer als R2, dann liegt das Potenzial am Ausgang dicht bei 0 Volt, was wir als eine logische "0" interpretieren wollen. Ist umgekehrt R1 sehr viel kleiner als R2, dann liegt der Ausgang auf einem Potenzial dicht bei 5 Volt, was wir als logische "1" ansehen wollen.

Um zwischen diesen beiden Zuständen hin- und herzuschalten, ist es nun nicht unbedingt nötig, beide Widerstände zu verändern. Es genügt, R1 auf einen mittleren Wert einzustellen und dann dafür zu sorgen, dass R2 eine genügend große Variationsbandbreite hat, so dass die beiden Bedingungen "R1«R2" und "R1»R2" erfüllt werden können. Dies kann man z.B. erreichen, indem man R2 durch einen Transistor ersetzt. Wir benutzen hier den für unsere Zwecke am besten geeigneten "N-MOS-FET (N-dotierter Metall-Oxid-Silizium-Feld-Effekt-Transistor) vom Anreicherungs-Typ" und erhalten dann die folgende Schaltung:

Die drei Anschlüsse von Feldeffekt-Transistoren heißen Source (S), Drain (D) und Gate (G). Vom Source- zum Drain-Anschluss führt intern ein Kanal aus n-leitendem Silizium. Das Gate umschließt diesen Kanal, ist aber gegen ihn elektrisch isoliert. Die Funktionsweise des Feldeffekt-Transistors ist glücklicherweise recht einfach zu beschreiben:
  1. Die Leitfähigkeit des Drain-Source-Kanals wird durch das Potenzial des Gates geregelt.
  2. Ist das Gate-Potenzial nahe 0 Volt, dann ist der Widerstand des Drain-Source-Kanals nahezu unendlich. Ist das Gate-Potenzial nahe +5 Volt, dann ist der Drain-Source-Widerstand (sehr) klein.
Techniker benutzen zur übersichtlichen Darstellung des Zusammenhangs zwischen verschiedenen Größen häufig sogenannte "Kennlinien-Diagramme". Machen Sie sich klar, dass das folgende Diagramm genau die in den obigen beiden Sätzen formulierte Abhängigkeit des Drain-Source-Widerstands Rds von der Spannung Ugs zwischen Gate und Source darstellt:

Die oben angeführte Vokabel "FET vom Anreicherungs-Typ" bedeutet, dass bei diesem FET eine Erhöhung der Gate-Source-Spannung zu einer Vergrößerung der Ladungsträgerdichte im Drain-Source-Kanal führt. Steigt die Gate-Source-Spannung also an, dann wird der Drain-Source-Kanal mit n-Ladungsträgern (-- das sind schlichte Leitungs-Elektronen! --) "angereichert", wodurch die Leitfähigkeit vergrößert wird und der Kanal-Widerstand sinkt. Damit erhalten wir also einen elektrisch steuerbaren Spannungsteiler, mit dem wir am Ausgang Ua jedes gewünschte Potenzial einstellen können, indem wir an den Eingang Ue ein entsprechendes "Steuer-Potenzial" anlegen.



2.2 Das NOT-Gatter


Werfen wir nochmals einen genaueren Blick auf die Schaltung aus dem vorigen Abschnitt:


Als Beispiel setzen wir nun voraus, dass der Kanalwiderstand des verwendeten FETs zwischen 10 Ω und 10 MΩ variiert werden kann, und dass R1 auf den Wert 10 kΩ gesetzt wird. Von praktischem Interesse sind vor allem die beiden "Extremfälle", dass das Eingangssignal dicht bei 0 Volt oder dicht bei 5 Volt liegt. Im ersten Fall ist der Drain-Source-Widerstand des FET um den Faktor 1000 größer als der Wert von R1, was zur Folge hat, dass Ua dicht bei 5 Volt liegen wird. Im zweiten Fall ist der Widerstand des FET-Kanals nur ein Tausendstel von R1, weshalb Ua nun dicht bei 0 Volt liegen wird. Wir stellen diese Ergebnisse nochmals übersichtlich in einer kleinen Tabelle zusammen:

Ue Ua
0 Volt ≈5 Volt
5 Volt ≈0 Volt


Aufgabe:

  1. Eine etwas genauere Betrachtung

    Berechnen Sie unter Zuhilfenahme Ihrer physikalischen Kenntnisse den genauen Wert des Ausgangspotenzials für die beiden oben diskutierten Fälle. Benutzen Sie dazu die im Text angegebenen Daten. Um wieviele Millivolt liegt das genaue Ergebnis neben dem oben angegebenen Schätzwert? Um wieviel Prozent weicht das genaue Ergebnis von dem Schätzwert ab?
    Lösungsvorschlag




Wenn wir nun die Potenzialwerte als logische Werte interpretieren, dann erhalten wir für unsere Schaltung die folgende "Wahrheitswert-Tabelle":

E A
"0" "1"
"1" "0"


Dabei steht "E" für den "Eingang" der Schaltung, an den das "Steuer-Potenzial" Ue angelegt wird, und "A" für den "Ausgang", der in Ua das logische Ergebnis liefert. Schaltungen, deren Ein- und Ausgangssignale logische Werte sind, werden allgemein als "Gatter" bezeichnet. Wir können diese Schaltung also als ein Gatter auffassen, das an seinem Ausgang stets das Gegenteil des am Eingang anliegenden Signals liefert. Ein solches Gatter bezeichnet man als "Inverter" (siehe englisch: to invert something - etwas umkehren oder umdrehen) oder auch als "NOT-Gatter".

Das NOT-Gatter ist das einfachste Gatter, das in der digitalen Elektronik tatsächlich verwendet wird. Allerdings stören sich die Techniker an dem Widerstand R1, weil ohm'sche Widerstände in der digitalen Elektronik nur mit einem viel größeren Aufwand implementiert werden können als Transistoren. Also wird nicht nur der ursprünglich vorhandene Widerstand R2 durch einen Transistor ersetzt, sondern nun auch der bisher noch übrig gebliebene R1. Leider ist jedoch der N-MOS-FET für diesen Einsatz nicht geeignet. Man verwendet stattdessen den "komplementären" P-MOS-FET (P-dotierter Metall-Oxid-Silizium-Feld-Effekt-Transistor), bei dem der Drain-Source-Kanal aus p-leitendem Material ist. Er funktioniert in gewisser Weise antisymmetrisch zum N-MOS-FET: so sind z.B. Drain- und Source-Anschluss in der Polarität vertauscht. Für das Widerstands-Verhalten des Drain-Source-Kanals beim P-MOS-FET gilt jedoch analog:
  1. Die Leitfähigkeit des Drain-Source-Kanals wird durch das Potenzial des Gates geregelt.
  2. Ist das Gate-Potenzial nahe 0 Volt, dann ist der Widerstand des Drain-Source-Kanals (sehr) klein. Ist das Gate-Potenzial nahe +5 Volt, dann ist der Drain-Source-Widerstand nahezu unendlich.
Ersetzt man nun in der obigen Schaltung den Widerstand R1 durch einen solchen P-MOS-FET, dann erhält man die folgende Variante:


Ist Ue dicht bei 0 Volt, dann ist wie zuvor der Drain-Source-Widerstand von T1 sehr groß. Hingegen ist dieser Widerstand in T2 sehr klein, weshalb das Potenzial am Ausgang Ua dicht bei 5 Volt liegt. Ist jedoch Ue dicht bei 5 Volt, dann leitet der Drain-Source-Kanal von T1 sehr gut, während der von T2 nahezu isoliert. Dies führt bei Ua zu einem Potenzial dicht bei 0 Volt. Mithin hat diese Schaltung genau dieselbe Wahrheitswert-Tabelle wie unsere ursprüngliche NOT-Schaltung:

E T1 T2 A
"0" sperrt leitet "1"
"1" leitet sperrt "0"


Genau so wird die Inverter-Schaltung in Milliarden von integrierten logischen Schaltungen implementiert! Diese Schaltung ist ein Meisterwerk der Halbleiter-Technik. Sie ist eine außergewöhnlich sparsame Umsetzung unserer ursprünglichen Spannungsteiler-Schaltung in eine elektrisch steuerbare Variante. Darüber hinaus zeichnet sie sich (im statischen Betrieb) dadurch aus, dass in den Eingang kein nennenswerter Strom hinein fließt, während am Ausgang Ströme im mA-Bereich entnommen werden können. Dies führt dazu, dass ein Ausgang sehr viele Eingänge mit dem von ihm gelieferten Potenzial ansteuern kann. Und da von den beiden Transistoren in beiden Speicherzuständen stets einer gesperrt ist, fließt nahezu kein Strom durch die Schaltung: die Leistungsaufnahme eines integrierten NOT-Gatters liegt im Speichermodus bei etwa 10 nW !

Wie wir später noch sehen werden, ist die NOT-Schaltung aus komplementären MOS-FETs eine Vorlage, aus der sich durch leichte Variationen Schaltungen für sämtliche elementaren logischen Verknüpfungen ableiten lassen. Nahezu die gesamte digitale Elektronik eines aktuellen "Motherboards" ist in dieser "CMOS-Technik" (Complementary Metall Oxide Silizium) oder darauf aufbauenden Techniken implementiert.


Aufgabe:

  1. Eine noch genauere Betrachtung

    Berechnen Sie unter Zuhilfenahme Ihrer physikalischen Kenntnisse auch für die "serienreife" Variante des NOT-Gatters jeweils den genauen Wert des Ausgangspotenzials für die beiden Fälle "E = 0" und "E = 1". Benutzen Sie dazu wieder die im obigen Text gegebenen Daten. Um wieviele Millivolt liegt das genaue Ergebnis neben dem oben angegebenen Schätzwert? Um wieviel Prozent weicht das genaue Ergebnis von dem Schätzwert ab?
    Lösungsvorschlag





2.3 NAND- und NOR-Gatter


Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, wie ein logisches Signal invertiert werden kann. Nun wollen wir klären, wie man logische Signale miteinander verknüpfen kann. Dabei beschränken wir uns zunächst darauf, jeweils nur zwei logische Signale miteinander zu verknüpfen. Die bekanntesten logischen Verknüpfungen sind wohl die "ODER"- und die "UND"-Verknüpfung, bei denen man aber üblicherweise die englischen Bezeichnungen "OR" und "AND" vorzieht. Hier zunächst die Wahrheitswert-Tabellen für diese beiden Verknüpfungen:

A = E1 OR E2

E1 E2 A
0 0 0
1 0 1
0 1 1
1 1 1

Das Ausgangssignal A ist also genau dann gleich 1, wenn mindestens einer der Eingänge E1 oder E2 gleich 1 ist.
A = E1 AND E2

E1 E2 A
0 0 0
1 0 0
0 1 0
1 1 1

Das Ausgangssignal A ist also genau dann gleich 1, wenn sowohl E1 als auch E2 gleich 1 sind.

Gesucht sind nun also Schaltungen, die diese logischen Verknüpfungen berechnen. Wie oben schon erwähnt, lassen sich alle elementaren logischen Verknüpfungen durch Kombinationen von NOT-Schaltungen bilden. Das wollen wir nun einmal probieren. Wir betrachten dazu die folgende Schaltung:

Diese Schaltung lässt sich in der Tat als eine Kombination von zwei NOT-Schaltungen auffassen. Betrachten wir zunächst den Eingang E2: er bildet zusammen mit den beiden Transistoren T2 und T4 die erste NOT-Schaltung. Und entsprechend kann man E1 zusammen mit T1 und T3 als eine zweite NOT-Schaltung interpretieren. Zugegeben, die beiden Schaltungen sind auf nicht gerade naheliegende Weise ineinander verschachtelt. Aber auch dieses Detail hat Methode: die N-MOS-FETs sind in Serie geschaltet, die P-MOS-FETs parallel!

Mit Hilfe der im vorigen Abschnitt angegebenen erweiterten Wahrheitswert-Tabelle für die NOT-Schaltung lässt sich nun auch die Wahrheitswert-Tabelle dieser komplizierteren Schaltung erstellen. Nach einiger Knobelei erhält man das folgende Ergebnis:

 E1   E2  T1 T3 T2 T4  A 
0 0 leitet sperrt leitet sperrt 1
1 0 sperrt leitet leitet sperrt 1
0 1 leitet sperrt sperrt leitet 1
1 1 sperrt leitet sperrt leitet 0

Hm. Auf den ersten Blick ist das Resultat einigermaßen ernüchternd: dies ist weder eine UND- noch eine ODER-Schaltung! Bei einem zweiten Blick könnte uns aber auffallen, dass das in A errechnete Ergebnis stets das Gegenteil der UND-Verknüpfung ist: A = NOT (E1 AND E2). Und diese Verknüpfung gehört ebenfalls zu den elementaren Operationen beim Umgang mit Wahrheitswerten: sie wird NAND-Schaltung genannt (kurz für "NOT AND").

Man kann die zwei NOT-Schaltungen aber auch anders kombinieren, indem man z.B. die N-MOS-FETs parallel und die P-MOS-FETs in Serie schaltet. Dann erhält man die folgende Variante:

Aufgabe:

  1. Die andere Möglichkeit

    Erstellen Sie für diese Schaltungs-Variante analog zum Vorgehen bei der NAND-Schaltung eine erweiterte Wahrheitswert-Tabelle! Was fällt Ihnen an dem in A gelieferten Ergebnis auf?
    Lösungsvorschlag



Die Wahrheitswert-Tabelle für diese Schaltung lautet:

E1 E2
0 0 1
1 0 0
0 1 0
1 1 0

Zwar ist auch diese Schaltung weder eine "AND"- noch eine "OR"-Schaltung, aber das in A gelieferte Ergebnis ist immerhin stets das Gegenteil der entsprechenden OR-Verknüpfung: A = NOT (E1 OR E2). Also liegt hier eine "Nicht-ODER-Schaltung" vor, bzw. mit der englischen Bezeichnung eine NOR-Schaltung (NOR kurz für NOT OR).



2.4 Gatter als neue Grundbausteine


Auf die Dauer ist es einfach zu mühsam, immer wenn man (z.B.) ein NOR-Gatter braucht, den gesamten Schaltplan eines NOR-Gatters zu zeichnen. Es ist praktischer, sich auf ein möglichst einfaches Symbol zu einigen, das das NOR-Gatter darstellen soll, und dann nur noch dieses Symbol zu benutzen.

Neben der einfacheren Darstellung erhalten wir noch einen weiteren Vorteil: wir brauchen eigentlich nicht mehr zu wissen, wie die Innenschaltung eines NOR-Gatters im Detail aussieht! Tatsächlich gibt es nicht nur die oben beschriebene Implementierung für ein NOR-Gatter, sondern darüberhinaus auch noch viele andere Möglichkeiten, je nachdem, für welche Technologie man sich entscheidet. So war z.B. vor dem Siegeszug der "MOS-FET"-Technologie die "TTL"-Technologie weit verbreitet: dabei wurden die Schaltungen der Gatter nicht mit MOS-FETs, sondern mit bipolaren Transistoren realisiert. Und es gibt noch viele weitere mögliche Innenschaltungen für NOR-Gatter; wichtig ist jedoch nicht die Technik, die "unter der Haube" steckt, sondern, dass die Schaltung sich genau so verhält, wie es die Wahrheitswert-Tabelle der NOR-Schaltung vorschreibt. Und diese Wahrheitswert-Tabelle gilt universell für alle Varianten der NOR-Schaltung!

Wie könnte nun solch ein Symbol für (z.B.) ein NOR-Gatter aussehen? Um in digitalen Schaltplänen nützlich sein zu können, muss es auf jeden Fall zwei Eingänge und einen Ausgang haben. Und es sollte auch einen "Körper" haben, also einen Behälter, der die Schaltung enthält - ohne dass wir diese natürlich darstellen wollen. Und man sollte dem Symbol irgendwie ansehen können, dass es ein NOR-Gatter repäsentiert.

In den ersten Jahren der Digitaltechnik gab es diesseits und jenseits des Atlantiks jeweils mehrere konkurrierende Entwürfe für solche Gatter-Symbole, welche alle versuchten, die obengenannten Grundanforderungen auf jeweils ihre eigene Art und Weise zu erfüllen. Die Bemühungen um Normierung und Einheitlichkeit hingegen begannen erst mit einiger Verzögerung, und - wie sich inzwischen gezeigt hat - wohl zu spät: trotz mehrerer Anläufe hat es keines der zu diesem Zwecke eingesetzten Normungs-Kommitees geschafft, einen überzeugenden Entwurf von Schaltsymbolen für die digitalen Grundschaltungen vorzulegen, der dann auch weltweit akzeptiert worden wäre. So sind wir auf diesem Gebiet nach wie vor gezwungen, in einer babylonischen Sprachverwirrung zu leben.

Um die Konfusion in Grenzen zu halten, beschränke ich mich im Folgenden auf die zwei Serien von Gatter-Symbolen, die hier in Deutschland wichtig waren beziehungsweise sind. Die wohl überzeugendste Variante stellen die "alten deutschen Symbole" dar, welche schon 1963 zur "Deutschen Industrie-Norm" erhoben wurden: mit "DIN 40700" wurden die in Deutschland zu verwendenden Symbole für digitale Gatter gesetzlich festgelegt! Leider wurde diese schöne Norm im Jahre 1976 von einem ziemlich unfähigen Kommitee "reformiert", dessen stümperhafte Ergebnisse dann 1997 mit der "IEC 60617-12"-Norm auch noch den Segen der "International Electrotechnical Commission" bekamen! Seither sollten diese Symbole eigentlich weltweit verwendet werden; angesichts der mangelnden inneren Logik der neuen Symbolik konnte sich die "IEC 60617-12" auf dem internationalen Parkett aber nicht wirklich durchsetzen. Speziell in den USA wurden die IEC-Symbole komplett ignoriert, was angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des "Silicon Valley" die Bezeichnung "Norm" für den IEC-Entwurf ad absurdum führt.

Hier nun also eine Tabelle mit den Symbolen der elementaren digitalen Gatter aus diesen beiden Entwürfen:

  NOT AND OR NAND NOR XOR
DIN 40700
(1963)
IEC 60617-12
(1997)


Aus rechtlichen Gründen werden auf den folgenden Seiten die offiziell vorgeschriebenen Symbole der IEC-Norm verwendet (- obwohl ich viel lieber die "alten Deutschen" nehmen würde, die ich in den 1960er Jahren als Schüler bei meinen ersten Gehversuchen in Sachen Digital-Technik benutzt habe...)

Die Tabelle enthält neben den bisher schon implementierten Gattern (NOT, NAND, NOR) auch noch AND, OR und XOR. Die Wahrheitswert-Tabelle von AND und OR wurde oben schon geklärt; eine "Realisierung in Hardware" werden wir gleich im nächsten Abschnitt in Angriff nehmen. Das XOR-Gatter wird in einer weiter unten folgenden Aufgabe eine Rolle spielen, aber zuvor müssen wir noch ein paar andere Dinge lernen. Jetzt kommt für Sie zunächst noch mal eine andere...


Aufgabe:

  1. Was sind "gute" Symbole?

    Was bedeuten die schwarz gefüllten Kreise in den obigen Symbolen? Basteln Sie sich eine Eselsbrücke, die ihnen hilft, in der alten DIN-Norm OR und AND voneinander zu unterscheiden! Was bedeuten die Text-Schnipsel in den IEC-Symbolen? Welche Symbolik halten Sie für gelungener, und warum?

    Recherchieren Sie im Internet zu anderen Gatter-Symbolen! Schauen Sie sich auch die proprietäre amerikanische Variante an! Wie gefällt Ihnen diese Lösung? Begründen Sie Ihre Meinung!
    Lösungsvorschlag





2.5 AND- und OR-Gatter


Im Abschnitt 2.3 haben wir uns schon einmal die Aufgabe gestellt, ein AND- und ein OR-Gatter für 2 logische Signale zu implementieren, aber was wir so beim wilden Herumprobieren erreicht haben, war das logische Gegenteil unseres eigentlichen Ziels, nämlich die NAND- und die NOR-Schaltung. Dass wir damit unser ursprüngliches Problem schon fast gelöst haben, fällt vielleicht nicht jedem sofort auf. Man braucht nur noch eine gute Idee, aber die ist im vorliegenden Fall gar nicht so schwer zu finden:
aus  E1 NAND E2 = NOT (E1 AND E2)  folgt:
NOT (E1 NAND E2) = NOT (NOT (E1 AND E2)) = E1 AND E2
Versuchen Sie mal, die beiden vorstehenden Zeilen genau zu verstehen; wenn Sie das geschafft haben, dann müssen Sie auch selbst auf die obengenannte "gute Idee" kommen!

Haben Sie die gute Idee gefunden? Na, dann sind wir uns ja einig: wir invertieren einfach das Ausgangssignal eines NAND-Gatters, indem wir es einem zusätzlichen NOT-Gatter zuleiten! Dann liegt am Ausgang dieses NOT-Gatters das Gegenteil des NAND-Ergebnisses vor, also NOT(E1 NAND E2) = NOT(NOT(E1 AND E2)) = E1 AND E2, weil die doppelte Verneinung einer Bejahung äquivalent ist. Und damit Sie das auch wirklich glauben, kommt hier ein kleines Applet, das zur Simulation von Gatter-Schaltungen dienen kann:

E1 E2 NAND  AND 
 0  0  1  0
 0  1  1  0
 1  0  1  0
 1  1  0  1

Da das Applet hier zum ersten Mal auftaucht, sind ein paar Worte angebracht, wie es zu benutzen sei:
Neben den Gattern gibt es noch 2 weitere Sorten von Objekten: Bit-Quellen und Bit-Anzeigen:
Wenn Sie die Signale der Bit-Quellen variieren und dabei die Bit-Anzeige am Ausgang des NOT-Gatters beobachten, können Sie leicht verifizieren, dass sich die obige Schaltung tatsächlich so verhält, wie die Wahrheitswert-Tabelle der AND-Schaltung es erwarten lässt. Sie können auch die Signale auf Verbindungsleitungen innerhalb der Schaltung erkennen: führt die Leitung eine logische 1, dann wird sie rot dargestellt, führt Sie eine logische 0, erscheint sie schwarz.

Genau dieselbe "gute Idee" ermöglicht es uns, nun auch noch ein OR-Gatter zu konstruieren:

E1 E2 NOR  OR 
 0  0  1  0
 0  1  0  1
 1  0  0  1
 1  1  0  1

Beachten Sie, dass wir für die Implementierung von AND und OR unsere Arbeitsweise geändert haben: während wir im vorigen Kapitel aus einzelnen Transistoren elementare Gatter zusammengeschaltet haben, sind wir nun dabei, aus den elementaren Gattern durch "Zusammenschalten" elektrische Schaltungen aufzubauen, welche logische Funktionen berechnen. Es ist als hätten wir das Baumaterial gewechselt: dass in den Gattern natürlich nach wie vor Transistoren drinstecken, braucht uns nicht mehr zu interessieren, solange das Gatter genau das tut, was seine Wahrheitswert-Tabelle verspricht!

Man kann zeigen, dass für den Aufbau aller möglichen logischen Funktionen Schaltungen konstruiert werden können, die ausschließlich aus NAND-Schaltungen (oder ausschließlich aus NOR-Schaltungen) bestehen. Alle anderen Gatter lassen sich also durch hinreichend viele zusammengeschaltete NAND- (oder NOR-) Gatter implementieren. Zum Beispiel erhält man ein NOT-Gatter, wenn man die zwei Eingänge eines NAND-Gatters miteinander verbindet:


Und ein AND-Gatter "nur aus NANDs" ist dann auch ganz einfach:



Aufgaben:

  1. NOR aus NAND

    Entwerfen Sie eine Schaltung mit zwei Eingängen E1 und E2, die nur aus NAND-Gattern besteht und den Term (NOT E1) NAND (NOT E2) berechnet. Erstellen Sie eine Wahrheitswert-Tabelle für diese Schaltung. Welches unserer elementaren Gatter haben Sie damit implementiert?
    Wie kann man dann ein NOR-Gatter "nur aus NANDs" bauen?
    Lösungsvorschlag


  2. XOR

    In der Kryptographie gehört die oben schon mal erwähnte XOR-Verknüpfung zu den Standard-Arbeitsmitteln: sie wird in nahezu allen Verschlüsselungsalgorithmen benutzt! Wir wollen hier nur eine XOR-Verknüpfung für 2 Bits erstellen. Eine solche XOR-Schaltung hat an ihrem Ausgang genau dann eine "1", wenn an den beiden Eingängen verschiedene Signale anliegen; sind die Eingangssignale hingegen gleich, dann ist der Ausgang "0". Erstellen Sie zunächst eine Wahrheitswert-Tabelle für die XOR-Verknüpfung!

    Vergleichen Sie Wahrheitwert-Tabelle der XOR-Schaltung mit den Wahrheitswert-Tabellen der elementaren Gatter AND, OR, NAND und NOR. Suchen Sie sich eine möglichst eng verwandte Schaltung als Startpunkt heraus, und ergänzen Sie diese durch zusätzliche Gatter so, dass insgesamt eine XOR-Schaltung entsteht! (Es gibt hierfür durchaus verschiedene Lösungsmöglichkeiten.)

    Verifizieren Sie die korrekte Funktion Ihrer XOR-Schaltung mit Hilfe einer (erweiterten) Wahrheitswert-Tabelle!
    Lösungsvorschlag





2.6 Die drei Grundaufgaben der Informationsverarbeitung


Welche einzelnen Funktionalitäten für "die Bits" muss man eigentlich bereitstellen, damit es möglich wird, eine vollständige und umfassende "EDV" zu implementieren? Nun, zumindest müssen erst einmal die folgenden drei Grundaufgaben gelöst werden:
  1. Ein an einer bestimmten Stelle entstandenes binäres Signal muss an eine andere Stelle weitergeleitet werden können. Dazu genügt in den meisten Fällen eine simple Kupferleitung! Etwas schwieriger wird es, wenn diese Kupferleitung mit mehr als einer möglichen Signalquelle verbunden werden soll. Auf dieses Problem werden wir später noch besonders eingehen.

  2. Weiter muss es eine Möglichkeit geben, dass binäre Signale auch für eine bestimmte Zeit aufbewahrt werden können, d.h. die Bits müssen lokal gespeichert werden können.

  3. Schließlich muss man zwei binäre Signale miteinander verknüpfen können. Für die logischen Funktionen leisten das die oben schon besprochenen elementaren Gatter. Für arithmetische Funktionen werden wir später noch einige Beispiele von Schaltnetzen kennen lernen, die uns zeigen, wie ein "Rechner" eigentlich rechnet.

Das also sind die wichtigsten "Grund-Aufgaben" der Bit-Manipulation:
wer die Bits fließen lassen, speichern und verknüpfen kann, verfügt über die notwendigen Voraussetzungen, um einen "universellen Computer" bauen zu können, also einen Rechner, der auf der Menge der möglichen Bit-Kombinationen im Prinzip jeden Algorithmus ausführen kann. In den folgenden Kapiteln soll klar werden, dass dies tatsächlich schon genügt -- und warum dies so ist!






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